Culture vélo, vélo pour tous ?

Fahrradkultur, Fahrrad für alle?

Warum treten manche Menschen mehr in die Pedale als andere? Warum sind manche Städte Synonyme für "Radwege", während andere sich auf "Staus" reimen? Gibt es eine "Kultur" des Radfahrens? Zoom auf unsere Beziehung zur kleinen Königin.

In Amsterdam zum Beispiel fahren 32 % der Bürger im Alltag mit dem Fahrrad, in Paris sind es 4 %. Frankreich belegt in der Rangliste den 19. Platz von 28 Ländern.

Das Schlusslicht in Europa? Nicht so einfach. Denn selbst innerhalb des Hexagons sind die Unterschiede bemerkenswert. In Straßburg zum Beispiel werden 10 % der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, was mehr als doppelt so viel ist wie in Paris.

Für den Politikwissenschaftler Nicolas Louvet ist die Erklärung dafür recht einfach: "In Straßburg wird das Fahrradfahren seit den 1980er Jahren von der öffentlichen Politik gefördert, sodass die Einwohner sich daran gewöhnt haben. In Paris hingegen geschieht dies erst seit den 2000er Jahren, daher sind wir hier im Rückstand." Und in der Tat. Die Zahlen belegen, dass die kleine Königin in den letzten Monaten im ganzen Land wieder in den Vordergrund gerückt ist, insbesondere seit dem Ende der Einschließung. Aber der landesweite Impuls hin zum Allradantrieb ist letztlich nur sehr neu, während er in Straßburg schon seit Jahrzehnten besteht.

Doch auch wenn die öffentliche Politik unsere Fahrradnutzung beeinflusst, ist sie nicht allein dafür verantwortlich, ob es an einem bestimmten Ort eine "Kultur" des Radfahrens gibt oder nicht.

Der Beweis ist erbracht. Es scheint, dass zum Beispiel Männer und Frauen nicht gleichberechtigt am Fahrrad teilnehmen. In Frankreich sind heute 60 % der Radfahrer Männer, obwohl sie nur 47 % der Bevölkerung ausmachen.

Diese Zahlen stammen aus einer Studie, die der Geograf Yves Raibaud im Auftrag von Bordeaux Métropole über die geschlechtsspezifische Fahrradnutzung durchgeführt hat. Die Ergebnisse seiner Untersuchung zeigen, dass Frauen aus Sicherheitsgründen (Angst vor Unfällen und Unzivilisiertheit), aber auch wegen der Belastung (Einkäufe, Kinder) insgesamt weniger geneigt sind, sich auf ein Fahrrad zu schwingen, als Männer und häufiger mehrere Wege zurücklegen müssen, während Männer ihre Fahrräder eher in der Freizeit nutzen (abends, sonntags).

Hinter dieser Reihe von Gründen, die Feministinnen entgleisen lassen, steht eine Realität der Arbeitsteilung, die sich noch nicht wesentlich verändert hat. Für Nicolas Louvet "ist das keine Frage des Verhältnisses zum Fahrrad, sondern des Verhältnisses zur Gesellschaft, die immer noch machohaft ist".

Aber es gibt ein Gegenbeispiel. Und nicht zuletzt: In Japan sind es die Frauen, die am meisten in die Pedale treten!

Dabei ist das Land nicht für eine besonders fortschrittliche Aufgabenverteilung im Haushalt oder eine weitgehende Gleichberechtigung der Geschlechter bekannt (laut dem Bericht des Weltwirtschaftsforums über die Gleichstellung von Männern und Frauen von 2019 steht Japan auf Platz 121 von 153 Ländern). Das Land ist hingegen für seine Zuneigung zu Zweirädern bekannt. Und hier liegt die Antwort: Sobald das Fahrradfahren wichtig und weit verbreitet ist, ist es automatisch für alle zugänglicher.

Auch in den Niederlanden treten Frauen viel häufiger in die Pedale als in Frankreich. Aber wir reden hier von einem Land, das sogar so weit gegangen ist, eine Fahrradbotschaft zu gründen, um sein Fachwissen über Zweiräder ins Ausland zu exportieren. Wir sprechen sogar von dem Land, aus dem der Spitzname "petite reine" für das Fahrrad stammt. Denn der Ausdruck stammt aus dem 19. Jahrhundert, als die zehnjährige Königin Wilhelmine die Thronfolge antrat und sich ausschließlich ... mit dem Fahrrad fortbewegte.

Es gibt also durchaus eine Art Mitnahmeeffekt, eine "Kultur" des Radfahrens, die an manchen Orten stärker verankert ist als an anderen. Nicolas Louvet zieht es jedoch vor, zu nuancieren und eher von Gewohnheit als von Kultur zu sprechen.

"Wenn Sie Ihrem Kind immer wieder sagen, dass es sich bei Tisch gut benehmen soll, wird es sich eines Tages auch gut benehmen, es wird zur Gewohnheit werden. Aber wir sprechen nicht von einer Kultur, sich bei Tisch gut zu benehmen. Dasselbe gilt für das Fahrradfahren".